Interviews

Wim van Ast

ZEITLOS UND EINFACH, DOCH VOLL MIT TECHNIK

Sein Entwurf für den Tisch Essenza ist schon 18 Jahre ein Klassiker. Willem van Ast – die dritte Generation im Familienbetrieb Arco – über das Geheimnis eines guten Produkts. „Er war die passende Antwort auf den ländlichen Eichentisch.“

‘„Schlicht, logisch, weniger ist mehr.“ Dies waren die Ausgangspunkte des Essenza, erzählt Willem van Ast, als wir einander im Design Post Amsterdam treffen. Wir sitzen – übrigens nicht an einem Essenza – auf Stühlen aus der eigenen Kollektion und umgeben von Tischen von Arco. An der Wand hängt ein großes Foto der Wälder von Winterswijk, ein Bild aus der Kampagne „Local Wood“, organisiert von seinem Sohn, der 2011 nachrückte: Jorre van Ast. N5156.565, E646.707 steht in der linken Ecke. Dies sind die Koordinaten des Kottenseweg in Winterswijk. „Dort wuchs ich auf“, sagt Van Ast. Manchmal fragt er sich, ob diese Umgebung seine Denk- und Entwurfsweise mitbestimmte. „Die Dynamik der Stadt erreicht letztendlich auch die Wälder des Achterhoek, doch in anderer Konzentration. Es geht mehr um die Essenz, weniger um das Rauschen.“ Er erinnert sich noch lebhaft, wie der Essenza Ende der neunziger Jahre zustande kam. Es war die Zeit, da massive Eichentische mit ländlichem Charakter im Schwange waren. Doch auch eine moderne Version des Eichentisches wurde nachgefragt. „Dies war der Rahmen. Letztlich ist der Essenza ein Tisch mit besonderen Details, doch als Ganzes erscheint er einfach und schlicht.“’

Van Ast baute einen robusten Tisch, ohne übermäßigen Materialeinsatz. „Ein Baum braucht hundert Jahre, um zu wachsen – mit diesem Holz wollen wir verantwortungsvoll umgehen.“ So verleiht der befestigte Rahmen der Platte optisch Volumen, während die Platte selbst nicht so dick ist. „Die Beine sind abnehmbar, so dass der Tisch als flaches Paket geliefert werden kann. Das war auch für Arco neu.“ Es gelang Van Ast – zusammen mit den Fachleuten in der Fabrik von Arco –, das Beste aus dem Material herauszuholen. Der Tisch strahlt Simplizität aus, enthält aber viel Technik. „Damit das Holz unter allen Umständen gut in Form bleibt, sind in der Platte Spanner verarbeitet. Ein Klotz in der Platte sorgt für Stabilität, um große Längen zu überbrücken.“ Das ist auch nötig, besonders bei der neuen XL-Version des Essenza.

Zusätzliche Qualität steckt in der Verarbeitung des Holzes. Es wird abgewechselt zwischen Spiegel- und Fladerschnitt, es gibt schmalere und breitere Streifen. Spiegelgeschnittenes Holz ist rechtwinklig zu den Jahresringen gesägt, das gibt dem Holz ein Linienmotiv. Fladergeschnittenes Holz ist parallel zu den Jahresringen gesägt und gibt dem Holz bogenförmige Masern. Van Ast zeigt dies an der Platte des Tisches, an dem wir sitzen. Das Muster des Tisches ist subtil, hier und dort ist eine kleine Flader. Die Platte ist aus Streifen verschiedener Breiten zusammengesetzt, die der Eigenheit des Holzes sowie der Tischplatte gerecht werden. „Spielen mit Holzstrukturen sorgt für Ruhe in der Platte. Überlässt man dies einem maschinellen Prozess, dann erhält man feste Breiten, Wiederholung und einen künstlichen Effekt.“

Er denkt und arbeitet wie ein Möbeltischler, gibt er zu. „Ich ging zur Holz- und Möblierungsschule, als ich beschloss, in den Betrieb meines Vaters einzutreten. Als Designer bin ich Autodidakt, dieses Fach habe ich in der Praxis gelernt.“ Gegen Mitte der siebziger Jahre – als Van Ast im Familienbetrieb das Ruder übernahm – beschloss er, von klassischen zu modernen Möbeln zu wechseln. „Es war Zeit für Veränderung, glücklicherweise ist das gut gelungen.“ Später entschied er, den Maschinenpark der Fabrik in Winterswijk gehörig aufzurüsten. Von diesen Entscheidungen profitiert der Betrieb noch heute. Zur Hundertjahrfeier von Arco im Jahre 2005 lud Willem van Ast zwölf Designer ein, einen Entwurf vorzulegen. Er forderte sie heraus, über die Zukunft des Familienbetriebs nachzudenken. Ineke Hans, Joris Laarman, Studio Job und Bertjan Pot - es waren gestandene Designer, die mitmachten. „Der Slim Table von Bertjan Pot war einer der Entwürfe bei diesem Projekt, er zeigt sehr gut, wie unsere Zukunft aussieht: starke Entwürfe, fachmännisches Können, hochwertiges Material und dessen effiziente Verwendung. Der Slim Table ist noch essentieller als der Essenza, wenn man es so betrachtet.“

2011 übergab Willem den Stab seinem Sohn, dem Designer Jorre van Ast. „Ich fühle mich dem Betrieb noch sehr verbunden, lasse Jorre aber bewusst viel Freiraum. Wir ähneln einander sehr, dann ist es besser, einander nicht zu dicht auf die Pelle zu rücken.“ Jorre führt das Erbe seines Vaters fort. Er bringt Arco zur Essenz zurück: Tische herstellen. Aber auch zu den Wurzeln des Betriebs. Die Wälder des Achterhoek, die Fachleute in der Werkstatt und die Herkunft des Holzes sind wichtig für die Ausstrahlung. Jorre richtet sich – außer auf den Endkundenmarkt, auf dem Arco seit jeher stark ist – auch nachdrücklich auf den Projektmarkt. Der Essenza spielt dabei eine hervorragende Rolle. „Dass sich gerade ein Unternehmen wie Apple für seine neue Zentrale in den USA für den Essenza entschieden hat, erfüllt uns mit Freude und Stolz.“ Apple ließ sich von der „Selbstbeherrschung im Entwurf“ überzeugen, das ist ein riesiges Kompliment. Hunderte von Essenzas sind inzwischen für die Aufenthaltsräume der Zentrale angefertigt, wie auch einige speziell für Apple entworfene Möbel. „So stärkt der Essenza den internationalen und den Projektmarkt für Arco, besser hätte man es sich gar nicht ausdenken können.“